Else Goguel: Ein Leben für Gesang und Gitarre

Lebensgefährtin von Bruno Henze in Berlin verstorben

Else Goguel wurde am 4. Oktober 1924 in Leipzig geboren. Über 50 Jahre war sie, von vielen Freunden auch liebevoll Elsi oder Gitarrenmutti genannt, als Gitarrenlehrerin in Berlin tätig.

Else hat sich trotz mancherlei körperlicher Leiden ihr Temperament, ihre Lebensfreude und ihren Optimismus gewahrt. Ein wenig ist vielleicht aus Frankreich vererbt, denn Elses Vorfahren lebten im 18. Jahrhundert in Montbéliard (damals Mömpelgard, heute zur Region Franche-Comté gehörig). Ihr Urahn wanderte vor knapp 300 Jahren nach Schlesien aus; ihr Vater wurde in der Gegend um Posen geboren, die Mutter in St. Blasien im Schwarzwald. Aufgrund des Berufes des Vaters musste die Familie nach Leipzig ziehen. Else war das jüngste von vier Kindern; die älteste Schwester Erika (1914-36) starb früh an Tuberkulose, ihr Bruder Hubertus (1915-2011) lebte in Kiel. Ihre mit ihr innig verbundene Schwester Ingeborg, die sie als Rentnerin von Leipzig nach Berlin holte, ist zu ihrem großen Leidwesen 2003 im Alter von 82 Jahren verstorben.

Else Goguel entdeckte schon früh ihre Liebe zum Gesang; jeden Samstag lauschte die Familie dem Motettensingen des Thomanerchors. Sie übte mit ihrer Schwester im Duo und in dieser Formation hatten sie ihre ersten Auftritte. Nach dem Volksschulabschluss ließ sich Else zur Kindergärtnerin ausbilden, arbeitete sich bis zur Kindergartenleiterein hoch und betreute – quer durch Deutschland – auch Kinder in Privathaushalten. 1948-52 erhielt sie in Leipzig-Leutzsch Gitarrenunterricht bei Margarete Buch (1914-2013), die eine Schülerin von Walter Götze war und mit ihm zusammen Duette im Mitteldeutschen Rundfunk spielte. Mit ihrer ersten Gitarrenlehrerin (genannt „Büchlein“) verband sie eine enge Freundschaft. Im selben Sender hatten sie als „Buch-Terzett“ viele gemeinsame Auftritte; dritte im Bunde war ihre Schwester Ingeborg.

Ab 1952 war Else im Staatlichen Volkskunstensemble (Oberleiter: Guido Masanetz) in Berlin-Köpenick als Gitarristin angestellt. Alle Gitarristen wurden zu Bruno Henze, der die Volksinstrumentengruppe innerhalb des Ensembles leitete, nach Berlin-Charlottenburg zum Unterricht geschickt. So konnte sich zwischen ihm und Else nach und nach eine Zuneigung entwickelten, die sich als eine Verbindung für das ganze Leben erweisen sollte. Ein absoluter Höhepunkt in Elses Leben war die China-Tournee mit dem Volkskunstensemble (Dezember 1953 bis März 1954). Nachdem Henze, der im Westsektor Berlins wohnte, schon nicht mit nach China durfte, wurde Else die Mitwirkung in diesem Ensemble durch die politisch geprägte Atmosphäre verleidet, so dass sie bald nach der China-Tournee ausschied.

Nun fasste sie den schweren Entschluss, von Berlin-Ost nach Berlin-West zu wechseln: 1955 begann Else ihre Lehrtätigkeit an der Volksmusikschule Reinickendorf, der sie bis 2002 treu blieb; zusätzlich wirkte sie 1959-94 an der Weddinger Musikschule. An diesen Institutionen konnte sie ihr Talent, gut mit Kindern umzugehen zu können, anwenden. So gelang es ihr mit viel Einfühlungsvermögen, einen fundamentierten Gitarrenunterricht zu geben, bei dem die Schüler stets Freude hatten. Ihr bester Schüler war Christian Bänsch (1956-2016), der regelmäßig Solokonzerte gab und 1983-2003 als Dirigent des Gitarrenchores wirkte. Des weiteren sind Rolf Kaiser, Karl-Heinz Lengner, Sylvia und Hilmar Schläger, Achim-Peter Gropius, Heike Preuß sowie Simon Hügly hervorzuheben.

In den 50er Jahren war Else Goguel auch als Sängerin solistisch tätig, unternahm von Bruno auf der Gitarre begleitet Tourneen durch Deutschland. Und natürlich war Else von der ersten Stunde an als Stimmführerin der 1. Gitarre im Gitarrenchor dabei (bis 2004).

In der Freizeit hielten sich Else und Bruno gern auf dem Wasser auf, zuerst mit Segelboot, später mit Paddelboot, reisten nach Norwegen und oft auf die schwedische Insel Gotland.
Else pflegt ihre Freundschaften auf bewundernswerte Weise – die unzähligen ausführlichen Briefe, die sie geschrieben hat, kann keiner zählen. Und als leidenschaftliche Autofahrerin holte sie Freunde oft zu Ausflügen ab.

Die vielen Schüler – noch bis 2007 unterrichtete sie privat – haben sie stets jung gehalten.
2016 wurde es ruhig um Else: Sie war körperlich und geistig geschwächt durch mehrere Stürze, konnte sich nicht mehr aufraffen zum Schreiben und telefonierte nur noch mit einer Handvoll enger Freunde. Sie blieb – bis auf die letzten zwei Monate im Pflegeheim – immer in ihrer geliebten Wohnung. Am 5. Juli 2017 ist sie friedlich eingeschlafen.

Fünf Mitglieder des Gitarrenchores, der weiterhin unter dem Namen Gitarrenensemble „Bruno Henze“ regelmäßig Konzerte gibt, haben bei der Trauerfeier musiziert; viele Schüler gaben ihr die letzte Ehre. Und am 19.11.2017 veranstaltet das Ensemble ein Gedenkkonzert für Else Goguel (Dorfkirche Alt-Tegel, 17:00 Uhr).

Rainer Stelle

Postskriptum:

Ein großes Anliegen von Else ist verständlicherweise, das Schaffen ihres Lebensgefährten Bruno Henze (1900-1978) in Ehren zu halten. Das Volumen des Nachlasses an gedruckten und handschriftlichen Noten ist riesengroß. Wer beispielsweise noch die alten – teilweise vergriffenen – Leipziger Ausgaben des 17-bändigen Lehrwerks „Das Gitarrespiel“ oder Gitarren-/Zupfmusikwerke von Ambrosius oder Schubert u.a. des Hofmeister-Verlages sucht, kann sich gern an den Rechtsnachfolger wenden: Rainer Stelle (Windsorer Str. 11, 13349 Berlin, Telefon 030 456 40 84).

Alle aktuellen Ausgaben von Bruno Henze inklusive zweier CD’s können beim Joachim-Trekel-Musikverlag bestellt werden.